Rebschnitt im Januar/ Februar, Gerten im März
Das Arbeitsjahr im Weinberg beginnt mit dem Winter-Rebschnitt. In dem Arbeitsgang werden die im vorangegangenen Jahr gewachsenen, verholzten Ruten eingekürzt bzw. entfernt. Art und Umfang der Ausdünnung hängen im Wesentlichen von der Rebanlage und der Schnitt-Methode des Weinbaubetriebs ab.
Am häufigsten ist der Totalrückschnitt, bei dem sämtliche Alttriebe bis auf eine geeignete Rute am Kopfende des Rebstammes entfernt werden. Diese Ruten werden später in einem getrennten Arbeitsgang, dem Gerten, bogenförmig innerhalb der untersten Verspannungen des Drahtrahmens angebunden. Auf diese Erziehungsart im Spalier ist in den Zeilen der übliche Drahtrahmen konzipiert, innerhalb dem die späteren Triebe von unten nach oben wachsen. In der Rebzeile besteht er aus bis zu 7 Drahtverspannungen, die in Abständen an den Pfosten fest oder beweglich angeschlagen sind. Die Spalier-Vorrichtung ist im Weinanbaugebiet Mittelrhein und vielen weiteren der Standard. Seltener anzutreffen sind die Umkehrerziehung, der Minimalschnitt und weitere Formen.
Experiment-Weinberg
Das Weingut Burg-Martini experimentiert seit etwa zwei Jahrzehnten mit veränderten Bewirtschaftungsmethoden. Seitdem der Klimawandel im Rheintal spürbar wurde, werden veränderte Formen ausgetestet, um den Pflanzenschutz zu verringern. Da das Jahr 2019 als trocken und heiß vorausgesagt war, entschloss man sich in der geeigneten Weinlage Römerkrug zum Null-Projekt.
Außer den Lagen- und Wetterbedingungen ist die Förderung der natürlichen Widerstandskraft der Rebe der Schlüssel zum Erfolg. Diese soll angeregt werden, indem der Rebschnitt im Winter in besonderer Form ausgeführt wird. Anstatt des standardmäßigen Rückschnitts auf eine Ertragsrute, wird der Rebe das Gros der vorjährigen Ruten belassen. Dieser im Weingut entwickelte Schnitt ist aufwändiger, da er auf die Wuchskraft des einzelnen Weinstocks abgestimmt wird. Dieser Schnitt kommt dem machinell durchgeführten, sogenannten Minimalschnitt nahe, ist jedoch weitaus standortangepasster, da von Hand ausgeführt. Damit ergibt sich ein "Naturspalier", das der natürlichen Wuchsform der Rebe recht nahe kommt. Es wird angenommen, dass der Rebstock in dieser Erziehungsform seine naturgegebenen Abwehrkräfte am besten entfalten kann. Der Rückschnitt wird mittels einer Handschere durchgeführt.
Projekt-Weinberg
Aufgrund des Naturschnitts sind dem Rebstock vergleichsweise viele alte Ruten verblieben, die Anfang April aus einer Vielzahl von Knospen austreiben. So ist bereits Mitte April eine Verdichtung der Rebzeilen durch die Jungtriebe sichtbar. Die obersten Jungtriebe weisen den stärksten Wuchs auf und beschatten bald die Rebgassen. Die Lichtkonkurrenz dämpft den Gras- und Wildkräuterwuchs am Boden der Gassen deutlich. Auf das vollflächige mechanische Bodenbearbeitung oder etwa einen Glyphosat-Einsatz kann somit verzichtet werden. Stattdessen werden beim Abgehen der Regassen schonend einzelne größere Wildkräuter entnommen. Das mechanische Hächseln des Schnittholzes ist ebenfalls nicht notwendig, da beim Naturschnitt die Ruten bereits zerkleinert werden.
In Folge des Naturschnitts verläuft das Wachstum der Reben in veränderter Form, im Vergleich zu Weinbergen mit Standard-Erziehung. Aus der hohen Anzahl von Fruchtruten und ausgeschlagenen Knospen entwickelt sich eine vergleichsweise höhere Anzahl wesentlich kleinerer Trauben-Gescheine (Rispen der Jungtrauben). Insbesondere an den obersten Fruchtruten, die teilweise über das Spalier hinausragen. Im Rahmen der Blüte ist eine stärkere Verrieselung festzustellen. Dies ist eine Ausdünnung innerhalb der jungen Traubenrispe, bei der die Fruchtansätze der späteren Beeren mehr oder weniger eintrocknen und herausfallen. Faktoren sind die Wetterlage während der Blütezeit und natürliche Vorgänge der Selbstregulierung seitens des Rebstockes.
Als Ziel des Projekt soll auf alle regelmäßigen chemischen Pflanzenschutzmaßnahmen verzichtet werden. Dies bedingt allerdings einen erhöhten Zeitaufwand zur dauernden Überwachung des Weinbergs im Hinblick auf die bekannten Rebkrankheiten. So müssen je nach Witterungsverlauf alle Weinbergsgassen ständig aufmerksam abgeschritten werden. Dabei werden diejenigen Triebe und Jungtrauben mit der Hand entfernt, die Krankheitsbefall aufweisen.
Laubarbeiten und Pflanzenschutz im Sommer
Im Rebenwachstum erfolgt naturgemäß Ende Mai/ Anfang Juni ein starker Wachstumsschub. Die Triebe wuchern dann erheblich über den Drahtrahmen hinaus in und über die Gassen. Im Standardweinberg zeigen die wenigen Jungtriebe ein sehr starkes Längenwachstum. Diesselben müssen dann händisch in den Drahtrahmen eingesteckt werden. Ansonsten würde das Begehen oder Befahren der Gassen bald unmöglich. Dieser Arbeitsgang heißt Aufheften und wiederholt sich mindestens einmal Ende Juni oder Anfang Juli.
Pflanzenschutzmaßnahmen stehen im Juni in zwei, im Juli in zwei weiteren Arbeitsgängen an. Die Zeiträume zwischen den mechanischen Spritzeinsätzen betragen regelmäßig etwa 2 Wochen. Zwischendrin ist an die Pflege der Vorgewende, das sind Freiflächen an den Kopfenden des Weinbergsgrundstücks, zu denken. Dies passiert mittels Traktor und angebautem Mulchgerät.
Abhängig vom Witterungsverlauf sind die obersten Triebe der Reben derart in die Länge gewachsen, dass sie den Drahtrahmen meterhoch überragen und später durch Querlegen die Gassen versperren können. Dann ist ein besonderer Arbeitsgang zu deren Einkürzung, das Gipfeln notwendig. Dies geschieht unter Einsatz des Kettenschleppers mit einem Anbaugerät zum Laubschnitt. Dabei werden auch die aus den Rebzeilen herausragenden Seitentriebe der Reben mit eingekürzt.
Bei dichter Laubwand, d.h. wenn der Bereich des Drahtrahmens durch übermäßig viele Blätter stark verdichtet ist, wird oft eine Entblätterung der Traubenzone vorgenommen. Damit soll eine bessere Durchlüftung und eine Abhärtung der heranwachsenden Trauben erreicht werden. Der Arbeitsgang erfolgt, wenn nicht händisch durchgeführt, in der Regel unter Einsatz des Kettenschleppers. Als Anbaugerät wird eine Absaugvorrichtung verwandt.
Projekt-Weinberg
Im Frühjahr sind Gräser und Kräuterstauden auf den Böschungen der Kopf- bzw. Fußseite des Weinbergs üppig gewachsen. Die Stauden erreichen Höhen bis zu 1,5 m und sind teilweise bereits abgängig. Die langen Grashalme sind gelbgefärbt und sämtlich bereits abgestorben.
Zur Mahd werden ein Trimmer und für die bereits teilverholzten Stengel der Kräuterstauden eine Heckenschere eingesetzt. Beides Akkugeräte, geladen mit regenerativem Strom. Am Fußende haben sich in den Spalten der Trockenmauer ebenfalls Stauden etabliert. Die Größten werden händisch herausgenommen.
Im Juni können die Triebe an den oberen Fruchtruten über den Gassen teilweise ein regelrechtes Dach bilden. Wegen der Beschattung in dem Laubengang wird das Wachstum der Triebe im bodennahen Teil des Spaliers unterdrückt. Gleiches ist bezüglich der Gras- und Krautvegetation am Boden zu beobachten. Ab Ende Juni erfolgt ein Rückschnitt der Triebe. Dabei wird selektiv vorgegangen. Denn der Umfang der Einkürzung bestimmt die Anzahl der verbleibenden Jungtrauben. In dem Arbeitsgang werden die Gassen begehbar freigestellt und für eine verbesserte Durchlüftung gesorgt. Da in Folge der Beschattung durch das Rebendach sich im unteren Bereich des Spaliers keine starke Blattmasse bildet, kann auf eine Entblätterung, vergleichbar der beschriebenen in Standardanlagen, verzichtet werden.
Anstelle des chemischen Pflanzenschutzes muß abhängig von der Witterung mehrmals aufmerksam durch die Gassen gegangen werden. Dabei werden diejenigen Triebe und Jungtrauben mit der Hand entfernt, die Krankheitsbefall aufweisen.
Abschließende Laubarbeiten im Spätsommer
Die Rebe verlagert ihren Wuchs von den grünen Pflanzenteilen hin zu den Trauben. Bei günstiger Witterung wuchern die oberen Triebe dennoch ein weiteres Mal weit über das Spalier hinhaus und müssen erneut maschinell eingekürzt werden. In diesem Jahr konnte aufgrund der anhaltenden Trockenheit des Sommers in einigen Weinbergen darauf verzichtet werden.
In der Regel erfolgen Anfang August eine weitere und Mitte August eine abschließende Pflanzenschutzmaßnahme. Die Zeiträume zwischen diesen mechanischen Behandlungsgängen betragen wiederum regelmäßig etwa 2 Wochen.
Da sich die Laubwand im Bereich der Traubenzone durch Blattzuwachs wieder stark verdichtet hat, wird in vielen Weinbaubetrieben ein zweiter bzw. dritter Arbeitsgang der Entblätterung vorgenommen. Dies passiert dann Anfang September. Die Entblätterung der Traubenzone fällt diesmal vergleichsweise stärker aus als die Vorangegangenen. Da Sonnenbrand an den Trauben während des Spätsommers nicht mehr zu befürchten ist, werden im Hinblick auf eine erleichterte Ernte oft fast sämtliche Blätter beidseitig entfernt.
Projekt-Weinberg
Die Reben im Projekt-Weinberg können im Zuge geringen Niederschlags im August und September das Wachstum an frischen Trieben und Blättern stark einschränken. Im Wesentlichen verlagert der Weinstock dann seine Anstrengung auf die Ernährung der Trauben. Insofern werden mechanische Laub-Arbeiten nicht erforderlich. Jetzt erfolgt ein weiteres auf den einzelnen Weinstock angepasstes Einkürzen von Trieben und ggf. Ausdünnen von Traubenansätzen.
Gerade im Spätsommer können sich Nebelschwaden am Vormittag länger in den eingeschnittenen Tälern am Rhein festsetzen, was zu einem ausgesprochenen Krankheitsbefall an den Reben führen kann. Die Trockenheit und gute Durchlüftung der Anlage des Projekt-Weinbergs ließ im Jahr 2019 einen Krankheitsbefall (Schimmel, Mehltau) an Blättern und Trauben jedoch nicht aufkommen. Trotzdem wurden sämtliche Rebgassen ein letztes Mal durchgangen um eventuellen Krnakheitsbefall an den reifenden Trauben zu erkennen und ggf. diesen zu entfernen.
Da die Rebstöcke ihre vegetative Aufmerksamkeit ausschließlich auf die Trauben verlagern, ist mangels übermäßiger Blattmasse eine mechanische Entblätterung nicht von Nöten. Im Jahr 2019 war es so, dass die Reben aufgrund der Trockenheit von selbst damit begannen, überschüssige Blattmasse abzustoßen. Dies war im September 2019 gut sichtbar, indem der Projekt-Weinberg bereits eingesprengtes Herbstlaub zeigte.
Die Ernte der Trauben
Mitte September bis Anfang Oktoberergibt sich bei den spätreifenden Rebensorten im Weinanbaugebiet "Mittelrhein" eine gewisse Wartezeit. In den südlicheren Weinanbaugebieten "Pfalz" und "Rheinhessen" beginnt die Ernte früher, u.a. da dort vermehrt frühreifende Rebsorten angebaut werden.
In diesem Jahr war der Zeitraum Mitte September bis Mitte Oktober durch teilweise ungünstige Wetterlagen gekennzeichnet. Länger andauernde Regenfälle, Feuchte die teilweise schlecht abtrocknete, konnte in bestimmten Lagen zu Fäulnisbefall an den kompakten, reifen Trauben führen. Die Ernte der Sorte Riesling im Weinanbaugebiet Mittelrhein vollzog sich im Wesentlichen von Anfang bis Mitte Oktober.
Projekt-Weinberg
Durch die natürlich buschige Wuchsform der Reben, die insbesondere zu lockerbeerigen Traubenrispen führt, ist im Projekt-Weinberg ein vergleichsweise rasches Abtrocken der Feuchtigkeit von Regen oder Nebel gegeben. Auch kann etwaiger Befall weniger von einer zur anderen Beere überspringen. Insofern stellten sich die Trauben im Herbst 2019 im Vergleich zur Standardanlage bemerkenswert gesund dar. Ein Zuwarten mit der Ernte bereitete daher keine Probleme und erlaubte den Rebstöcken, die positiven Effekte der Oktobersonne in den Trauben noch etwas anzureichern.
Im Projekt-Weinberg war die Ertragsmenge 2019 etwa mit der einer Standardanlage vergleichbar. Allerdings verteilte sich diese auf die etwa dreifache Anzahl an Trauben. Diese waren in Gestalt wesentlich kleinvolumiger und zählten weniger und kleinere Beeren. Dies führte dann auch zu einer erheblich aufwändigeren Handlese in gesamter Breite des Spaliers. Dabei wurden auch einige Trauben am Weinstock belassen.
Das sogenannte Mostgewicht, das in der Hauptsache den Gehalt an Trauben- und Fruchtzucker angibt bzw. den späteren Alkoholgehalt des Weines beeinflusst, lag etwas unter dem des Standardweinbergs. Da das Erntejahr 2019 allgemein überdurchschnittliche Mostgewichte hervorbrachte, erscheint dies aber keineswegs nachteilig.